Die Basics zum Energiebedarf
Ein hoher Energieverbrauch bedingt eine hohe Energieaufnahme. Sprich, wer Leistungsfortschritte erzielen will, unterstützt dies mit den richtigen Nährstoffen. Dieser Grundsatz ist soweit bekannt, trotzdem ist in der Praxis Input vs. Output immer wieder ein Thema, welches schwierig zu vermitteln bzw. umzusetzen ist. Vor allem wenn das Ziel explizit Leistungsfortschritte sind und nicht die Gewichtsabnahme, wäre es fatal bei der Ernährung Kompromisse einzugehen.
Im Grundlegenden geht es darum, dass das, was dem Körper an Energie und Nährstoffen im Training «genommen» wird, ihm im Anschluss wieder zugefügt wird. Der Körper erhält während des Trainings einen Stimulus, welcher ihn ermüdet und vorerst schwächt. In der darauffolgenden Phase ist es enorm wichtig, den Körper in seinen Regenerationsprozessen zu unterstützen. Neben dem Schlaf, dem unmittelbaren Verzicht von Alkohol, ist die Zufuhr von genügend und passenden Nährstoffen entscheidend, um ein Training auch entsprechend zu verarbeiten.
In der Praxis häufig zu beobachten sind eine defizitäre Aufnahme von Kohlenhydraten bei einem zu hohen Fettkonsum, währenddem der Proteinbedarf gedeckt ist.
Ein zu wenig an Energie bzw. Makronährstoffen geht in der Folge oftmals auch Hand in Hand mit einem Mangel an Mikronährstoffen, welche ihrerseits wiederum eine zentrale Rolle in der Verstoffwechselung von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten spielen. Der Mehrbedarf an Vitaminen, welcher durch den Sport entsteht, wird im Normalfall durch den proportional mitansteigenden Bedarf an Makronährstoffen automatisch ausgeglichen, was eine standardmässige Supplementation von Vitaminpräparaten zumindest in Frage stellen kann.
Ein konstantes Energiedefizit wird irgendwann zwangsläufig zu folgenden Problematiken führen:
- Leistungseinbruch
- Gewichtsverlust
- Muskelmasseverlust
- Infekt- und Verletzungsanfälligkeit
- Bei Frauen: Ausbleiben des Monatszyklus
Was ist genug für einen Athleten?
Im Prinzip kann als einfache und standardisierte Übersicht das folgende Grundprinzip beachtet werden, welches an einem Beispiel eines Athleten aufgezeigt werden soll.
Musterathlet: männlich, Grösse 180cm, 75kg, 6x Training pro Woche à 60min
Damit fällt er zumindest zeitlich bereits unter die Kategorie «Sportler», was so viel heisst, als dass er einen Mehrbedarf hat, der über die allgemeinen Basisempfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung hinausgehen. Um zu ermitteln, wie sein grundlegender Bedarf aussieht, könnte man wie folgt vorgehen.
Grundumsatz ermitteln
Als erster Schritt ist der Grundumsatz (Grundbedarf für die Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Funktionen) zu ermitteln. Dazu nehmen wir der Einfachheit halber die folgende Formel:
1kcal pro kg Körpergewicht pro Stunde bei Männern
0.9kcal pro kg Körpergewicht pro Stunde bei Frauen
Die Differenz kommt aus der generell tieferen Muskelmasse bei Frauen.
Unser Musterathlet hat demzufolge einen Grundumsatz von 1800kcal. Sprich, im Ruhezustand (sitzend/liegend) wäre das die tägliche Menge, welche er grundsätzlich benötigt.
Leistungsumsatz ermitteln
Nun kommt eine Vielzahl an Aktivitäten und Training dazu, was man ebenfalls berücksichtigen muss.
Als Nächstes eruieren wir die körperliche Arbeitsschwere und multiplizieren diese mit dem Grundumsatz. Um präzise und individuelle Werte zu erhalten, müsste man eine Atemgasanalyse machen. Um das Beispiel möglichst einfach zu halten, orientieren wir uns hier am Physical Activity Level (PAL), welcher Auskunft gibt über die tägliche Belastung.
Für 30-60 Minuten Sport pro Tag wird zusätzlich mit einem PAL von 0.3 gerechnet.
Nehmen wir nun an, dass unser Musterathlet einen Bürojob hat und 6x pro Woche eine Stunde trainiert, können wir nun wie folgt rechnen:
Grundumsatz (1800kcal) x PAL 1.4 = 2520 kcal an einem trainingsfreien Tag
Grundumsatz (1800kcal) x PAL 1.7 = 3060 kcal an einem Trainingstag
Das bedeutet nun im Grundsatz, dass der Musterathlet in etwa um die 3000kcal pro Tag essen sollte, um längerfristig nicht in ein Energiedefizit zu fallen und seine Leistung entsprechend abrufen zu können.
Eine Frage der Qualität
Der durch das Training entstandene Mehrbedarf lässt sich grundsätzlich weiterhin problemlos über eine normale Mischkost decken. Einzig bei Hochleistungssportlern, welche einen Energiebedarf von mehr als ca. 5000kcal pro Tag aufweisen, macht es Sinn allenfalls gezielt mit einem Supplement bzw. Nahrungsergänzungsmittel zu arbeiten. Hier empfiehlt sich eine Zusammenarbeit mit einer/einem Ernährungsexpertin/en.
Kohlenhydrate
Primär sind die Kohlenhydrate als das Superbenzin in unserer Ernährung bekannt und im Grunde für jede Sportart direkt (Energiebereitstellung in der Zielmuskulatur) oder indirekt (Stabilisation des Blutzuckers) wichtig. Die Glukose als Kohlenhydratbestandteil ist als Energiesubstrat für viele Organe lebenswichtig. In der Muskulatur ist die Glukose zudem elementar für die ATP-Resynthese.
Kohlenhydrate sollten an Trainingstagen 50-60% der Gesamtenergiemenge ausmachen, dies auch unter Miteinbezug der Trainingsintensität. Wenn wir einen Trainingstag von unserem Musterathlet betrachten, bedeutet dies, dass er zwischen 1530-1836kcal bzw. 375-450g an Kohlenhydraten konsumieren kann/soll. Dies garantiert ihm zum einen genügend Energie in der Einheit selbst (auf das Thema Kohlenhydratperiodisierung gehe ich an dieser Stelle nicht ein) und zum anderen ein rasches Wiederauffüllen der Glykogenspeicher.
Tipp: auch Sportler/innen sollten den Zuckerkonsum (Haushaltszucker, Fruchtsäfte, Süsswaren, Honig) in der Basisernährung auf 10% der Gesamtenergiemenge reduzieren und stattdessen mehrheitlich auf vollwertige Varianten setzen. Das Mikrobiom wird es einem danken.
Fette
Aufgrund der höheren Energiedichte sind Fette in Bezug auf die Gesamtenergiebilanz ein spannender Faktor. Insgesamt ist eine Aufnahme von 25-30% der Gesamtenergiemenge anzustreben. Für unseren Musterathleten kämen wir hier auf eine Menge von 765-920kcal bzw. 85-100g Fett. Als Vergleich: Ein Suppenlöffel Olivenöl entsprechen 20g Fett.
Nebst dem energetischen Faktor ist das Fett insbesondere auch für die Aufnahme der fettlöslichen Vitamine A, E, D und K zuständig und hat einen wesentlichen Einfluss auf das Wachstum und die Regeneration der Zellen.
Ein Zuviel an Fetten ist jedoch auch nicht ratsam, da damit der Kohlenhydratanteil kleiner und die damit verbundene Leistungsfähigkeit sinken würde. Insbesondere auch beim Carboloading sollte dies berücksichtigt werden.
Tipp: Versteckte Fette reduzieren (Wurstwaren, Chips, Mayonnaise, Gebäck) und pflanzliche Fette (Raps-, Oliven- Lein- oder Baumnussöl) bevorzugen.
Eiweiss
Als Bausteine für die Körperstrukturen geniessen Eiweisse (Proteine) generell einen sehr guten Ruf. Die Aufgaben sind jedoch weit vielseitiger: Sie wirken als Hormone, Enzyme und haben im Immunsystem wichtige Aufgaben. Ein Trainingsreiz regt die Zellen zu einer höheren Syntheserate an, was eine genügende und zeitlich gut geplante Zufuhr bedingt. Vor allem auf die essenziellen Aminosäuren (bspw. Leucin) sind zu achten.
Der Gesamtenergiemenge fallen hier ca. 12-15% zu, was bei unserem Musterathleten 460kcal bzw. 114g ausmachen würde. Umgerechnet würde dies 1.2-1.5g pro kg Körpergewicht entsprechen. Die grobe Empfehlung für Sportler lautet 1.2-2.0g pro kg Körpergewicht.
Auch hier werden vorerst keine Supplemente benötigt, da die normale schweizerische Ernährungsweise im Normalfall bereits in diesem Bereich liegt.
Tipp: Nebst den klassischen Milchprodukten auch mal auf Fisch, Eier oder pflanzliche Varianten wie Hülsenfrüchte (Bohnen, Linsen, Kichererbsen) ausweichen und sinnvoll über den Tag verteilen. Nach einem Training lohnt es sich, zeitnah eine Eiweissportion zu konsumieren.
Fazit
Unser Musterathlet passt seinen Energiebedarf ganz einfach an seinen ungefähren täglichen Verbrauch an und achtet darauf, dass er regelmässig und genügend isst, um dabei seinen Trainingsfortschritt zu unterstützen. Dabei setzt er ganz einfach auf das Tellermodell und vergrössert sich an einem trainingsintensiven Tag die Kohlenhydratportion.
Am wichtigsten finde ich dabei immer auch den Genuss und die Freude am Essen. Und ja, es darf auch mal ein Glas Wein oder ein Bier sein – einfach bitte ein qualitativ gutes…
Bericht: Michael Pfanner
Quellen
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Raschka, C. & Ruf, S. (2022). Sport und Ernährung: Wissenschaftlich basierte Empfehlungen, Tipps und Ernährungspläne für die Praxis (5. Aufl.). Thieme